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STATION 4: PERSEVERA - HALTE DURCH!

Bücher sind schon lange Teil der (schulischen) Bildung, sei es durch das ewige händische Abschreiben von anderen Schriften oder durch ihr studieren. Natürlich fiel durch den Buchdruck das eigenhändige Abschreiben zwar weg, nicht jedoch das Studieren und Erlernen der Sprache. Neben der allgegenwertigen Schriftsprache Latein war auch Griechisch ein fester Bestandteil der Bildung im Jesuitenkolleg. Die neue Schrift stellte jeden Schüler vor eine Herausforderung. Von Vorteil konnte es daher sein, das alte, bereits benutze Schulbuch zu übernehmen, denn meist enthielten diese Tipps und Tricks. Also halte durch, mein Freund und lass dir den Weg durch die neue Sprache weisen.

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Vielleicht war der Unterricht schon 1560 nicht so spannend

ZEITLOSE LERNMETHODEN

Bei dem vorliegenden Werk handelt es sich um ein Griechisch-Lehrbuch von 1559 aus der Feder von Nicolas Cleynart [1], es wurde in Köln gedruckt und fand seinen Weg 1623 in die Bibliothek der Jesuiten. Über die Zeit dazwischen ist nichts genaueres bekannt, aber es kann davon ausgegangen werden, dass es im Unterricht genutzt wurde. Es ist anzunehmen, dass die unzähligen handschriftlichen Notizen, Anmerkungen, Definitionen und Hilfestellungen aus dieser Zeit stammen. Bücher wurden in der Zeit, anders als zum Teil heute, häufig von den Schülern selbst erworben und nach dem Benutzen entweder weiterverkauft oder behalten. In diesem Fall kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit gesagt werden, dass dieses Buch von mindestens zwei Personen genutzt worden ist.

Griechisch Unterricht um 1600 vs. Englisch heute


Die Schüler, zu der Zeit ausschließlich männlich, hatten bei den Jesuiten dieses Werk ab 1558 in den höheren Griechisch-Kursen genutzt, während der erste Kurs die Grundlagen von Schreiben und Lesen beinhaltete. Später wurde unter Rector Leichius das Werk durch Vergaras Lehrbuch abgelöst. Sie behielten allerdings bei, ein Buch für alle höheren Kurse zu nutzen.[2] Es ist daher gut möglich, dass ein Schüler nach dem Abschluss der Kurse dieses Buch weitergegeben hatte.

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Gut 400 Jahre machen doch keinen so großen Unterschied

Schaut man sich zum Beispiel ein Grammatikbuch aus der Anglistik[3] an, findet man ein ähnliches Phänomen. Das hier zu sehende Exemplar ist von 1989 und hat somit schon einige Student:innen in ihrer Lehre unterstützt. Anders als sein knapp 400 Jahre älterer Vertreter hatte es nicht einen längeren Besitzer, sondern leistete seine Dienste in der Bibliothek. Dadurch beschränken sich die Anmerkungen auf wenige Seiten. Allerdings konnte es so zu den verschiedenen Anmerkungen in verschiedenen Handschriften kommen. Ähnlich wie im Englischbuch haben die Schüler ihre eigenen Erklärungen und Markierungen zu den bereits vorhandenen zugefügt. Selbst wenn die Stelle, die für wichtig empfunden wurde schon markiert wurde, setzten die Nutzer:innen ihr eigenes Zeichen. Es geht daher wohl nicht um die Herausstellung an sich, sondern um die eigene Markierung.

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Die Schulbücher waren richtige Taschenbücher und konnten somit leichter transportiert werden

Dieses Schulbuch misst nicht einmal 25 cm in der Höhe. Zum Vergleich: ein reguläres Taschenbuch ist meist um 20 cm, ein Reclam-Heft nur gut 16 cm hoch.
Doch anders als moderne Papiereinbände hat dieses Buch, sehr zu unserem Glück, einen stabileren Pergamenteinband bekommen. Dieser trägt gewisse, nach über 400 Jahren, zu erwartende Nutzungserscheinungen und ist auch nicht mehr so weich wie er einst mal gewesen war, hält die Seiten aber dennoch geschützt.

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Erklärungen wurden auch schon damals direkt an den betreffenden Stellen angesetzt

Zeiten ändern sich, Studierende nicht

Durch das Markieren der Passagen, seien es die gleichen oder unterschiedliche, und durch die Anmerkungen weisen die Student:innen den folgenden Nutzer:innen auf, nach ihrer Meinung, relevanten Dinge hin. Ähnliches kann man sogar 400 Jahre vorher beobachten. Jedoch waren hier zum Teil sehr umfangreiche Erklärungen, bei denen wohl kein Bedarf gesehen wurde, diese noch einmal auszuführen. (Natürlich kann es auch der Fall sein, dass diese zum Schluss dazu gekommen waren.)  Faszinierend zu beobachten ist, dass sich bei beiden Büchern die Markierungen häufen oder gar keine zu finden sind. Ein Phänomen was wohl auch auf Lehrpläne zurückzuführen ist. Dieses weist jedoch auch, sei es bewusst oder unbewusst, den folgenden Nutzern einen Weg Griechisch zu lernen.

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Einer der „Besitzvermerke“ des Ludovicus Behoniensis

Die Besitzer des Buches

Provenienz Angaben finden sich in diesem Buch, neben dem Besitzeintrag der Bibliothek, zwei: Einmal vom Magister Jakob Weyss, durch den dieses Buch auch seinen Weg in die Bibliothek gefunden hat, und von einem Ludovicus Behoniensis Alias Chandeleuze. Interessant hierbei ist, dass dieser Name in verschiedenen Schreibweisen und Variationen vorzufinden ist. Daher ist unklar, ob es sich um eine Person handelt, die aus dem heutigen Rochefort in Belgien (früher Behonien) stammt oder ob es ein „Running-Gag“ der Nutzer war. Möglich ist auch, dass Ludovicus selbst seinen Namen eingetragen hatte und dieser als „Federprobe“ von anderen Nutzern wiederholt wurde. Federproben finden sich häufig in Büchern mit Anmerkungen dieser Zeit. Die Schreibfedern mussten, ähnlich wie ein Bleistift, regelmäßig angespitzt werden, um eine saubere Spitze zum Schreiben zu behalten.  Nach dem Spitzen wurde die Feder häufig getestet, was auch durch das Schreiben eines Namens möglich wäre.[4] Natürlich konnte dafür aber auch kleine Zeichnungen, „Verzierungen“ am Text oder simple Striche genutzt werden, wie auf der aufgeschlagenen Seite zu sehen ist. Möglich wäre auch, dass der Unterricht in dem Moment nicht sonderlich spannend war und der Schüler lieber malte als sich etwas zu notieren. Wer das nicht kennt, werfe die erste Füllfeder.

[1] Claynaert, Nicolas, (bearb, durch) Renart Guilloni: Institutiones absolutissimae in Graecam linguam, Köln: Gualthero Fabricio, 1559. USB-Exemplar: GBII+A143+E

[2] Vgl. Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum. Ein Querschnitt durch die Geschichte der Jugenderziehung in Köln vom 15. Bis zum 18. Jahrhundert, Kuckhoff, Josef, Köln: J. P. Bachem, 1931. USB-Exemplar: RHA377-1

[3] Bauer, Laurie (Hg.): English Word-formation, Cambridge University Press, 1989. USB-Exemplar: OG54#7

[4] vgl. Wernli, Martina: Federn lesen. Eine Literaturgeschichte des Gänsekiels von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert. Göttingen: Wallenstein Verlag, 2021.

Text zu Station 4:
Kerlin Buchholtz, Studentische Hilfskraft im LAM-Projekt der USB Köln „Rekonstruktion der Kölner Jesuitenbibliothek“.