9. April 2025 - Tag der Provenienzforschung
Zum Tag der Provenienzforschung am 9. April 2025 wird dieser Beitrag auch in RETOUR - freier Blog für Provenienzforschende veröffentlicht.
Provenienzforschung in der Historischen Stadtbibliothek Köln
Im Jahr 2020 feierte die Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB) ihren hundertjährigen Geburtstag. Doch mit der Gründung der Bibliothek am 14.05.1920 wurde nur der Zusammenschluss verschiedener, teilweise deutlich älterer Bibliotheken vollzogen. Eine dieser Vorgängerbibliotheken ist für die Provenienzforschung besonders interessant, die Historische Kölner Stadtbibliothek.
Ihre Wurzeln reichen zurück in das frühe 17. Jahrhundert, doch ihre endgültige Gestalt als eigenständige Institution des Kölner Bürgertums erlangte die Stadtbibliothek erst in den 1880er Jahren. Chronisch unterfinanziert war die Bibliothek für den Ausbau ihres Bestandes auf Spenden angewiesen. Zwischen 1880 und 1920 sind fünfzig größere Bücherspenden und -nachlässe belegt, welche oft tausende, teilweise sogar zehntausende Bände umfassten. Die Spender (Spenderinnen sind für diese Zeit bisher nicht bekannt) stammten fast ausschließlich aus den begüterten Schichten des Kölner Bürgertums. So fanden sich unter ihnen Großindustrielle, Kaufmänner, Professoren, höhere Beamte und Militärangehörige, sowie zwei Kölner Oberbürgermeister. Die Stadtbibliothek war dadurch weniger eine wissenschaftliche Universalbibliothek als Spiegel der Lese- und Sammelgewohnheiten des (gehobenen) Kölner Bürgertums. Themenbereiche wie klassische Literatur, Geschichte oder Theologie sind stark vertreten, mathematische oder naturwissenschaftliche Werke finden sich dagegen in nur geringer Anzahl.
1880 übernahm Adolf Keysser die Leitung der Bibliothek. Unter ihm wurde eine eigene feingliedrige Bibliothekssystematik eingeführt. Eingehende Bücherspenden wurden, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, in diese Systematik eingearbeitet. Seit einigen Jahren ist es das Ansinnen der USB, die ursprünglich eingegangenen Konvolute wieder aufzuspüren, virtuell zu rekonstruieren und Informationen zu den Vorbesitzenden der Bestände zu ermitteln.
Für einen kleinen Teil wurden von ihren Vorbesitzern Kataloge ihrer Bibliotheken erstellt und hinterlassen. Mit diesen war es möglich, die ursprüngliche Zusammensetzung dieser Sammlungen zu rekonstruieren und im Bestand der USB zu ermitteln. So wurde der 1883 erworbene und rund 1.800 Bände umfassende Nachlass des Arztes, Unternehmers und liberalen Politikers Dr. Gustav Claessen vollständig rekonstruiert. Gleiches gilt für die 1911 eingegangene Nachlassbibliothek des Kaufmanns, Sammlers und Weltreisenden Georg Küppers-Loosen. Auch die, überwiegend altphilologische Sammlung des Gymnasiallehrers Dr. Franz Weinkauff [1] konnte mithilfe eines erhaltenen Kapselkatalogs vollständig rekonstruiert werden.
Erhaltene Kataloge oder vergleichbare Unterlagen, die Auskunft über die Provenienzgeschichten der Bestände geben, bilden aber eine Ausnahme. Auf die ursprüngliche Provenienz eines Buches verweist in vielen Fällen nur noch ein Bleistifteintrag auf der letzten Seite des Exemplars. Diese Einträge wurden auf Anweisung Keyssers bei der Aufteilung eingehender Konvolute gemacht.
Seit 2019 werden daher die relevanten etwa 400.000 Bände der Historischen Stadtbibliothek am Regal autoptisch, Exemplar für Exemplar auf diese Einträge oder andere Hinweise auf Vorbesitzer*innen, wie ExLibris oder Autographen, durchgesehen. Diese Arbeit wird zu großen Teilen von einem sehr engagierten Team ehrenamtlich tätiger pensionierter Bibliothekar*innen durchgeführt. Auf diese Weise konnten bereits 75.000 Bände überprüft werden.
Unter den wiederentdeckten Bibliotheken befinden sich große Sammlungen, wie die Nachlassbibliothek des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters Dr. Hermann Heinrich Becker[2], von dessen ursprünglichen ca. 15.000 Bänden bereits ein Drittel identifiziert werden konnte oder die ehemalige Bibliothek des bekannten rheinischen Liberalen und Großbürgers Gustav von Mevissen[3].
Auch wenn noch einige Jahre ins Land gehen dürften, ehe der Bestand der Historischen Stadtbibliothek vollständig gesichtet wurde, so bergen die bereits gemachten Funde bereits vielfältiges Potential für tiefergehende Forschungen. Eine große Zahl zentraler Protagonisten der rheinischen Geschichte des späten 19. Jahrhunderts haben der USB ihre Bibliotheken hinterlassen, die nun darauf warten, genauer untersucht und analysiert zu werden.
[1] Weiterführende Informationen zur Sammlung Franz Weinkauf >>
[2 ]Weiterführende Informationen zur Sammlung Hermann Heinrich Becker >>
[3] Weiterführende Informationen zur Sammlung Gustav von Mevissen >>